Symbiose
Mit „Symbiose“ liegt Uwe Post erster skurriler Science Fiction Roman vor. Nicht sein erster Roman, denn als Book on Demand hat der Autor schon die Fantasy- Komödie „Zweiland“ veröffentlicht. Bislang ist Uwe Post vor allem als ideenreicher, die Grenzen des Genres dehnender Autor von Kurzgeschichten positiv aufgefallen. So sind seine Werke mit dem William Voltz Award ausgezeichnet und für den Deutschen Science Fiction Preis nominiert worden. „Zisch Zitro für alle“ – Lesern des vorliegenden Romans wird das Getränk an mehreren Stellen begegnen – versammelt eine Reihe seiner Kurzgeschichten. In der Vergangenheit sind eine Reihe von brillanten Kurzgeschichten Autoren an der literarischen Langform gescheitert. Uwe Post begeht den Fehler in „Symbiose“ nicht, in dem der Autor im Grunde drei Handlungsstränge mit sehr unterschiedlichen Charakteren lange Zeit parallel ablaufen lässt, um sie schließlich in einem Grunde apokalyptischen Moment miteinander zu vereinigen. Die Erde droht von einem riesigen Weltraumhai – das Cover von Timo Kümmel ist im Vergleich zu „Im Jahre Ragnarök“ deutlich schwächer – verschluckt zu werden. Aber wie es sich für einen Uwe Post gehört, beinhaltet dieses Ende im Grunde einen neuen Anfang.
Auf der ersten Handlungsebene beschreibt der Autor das tragische Schicksal des im Grunde in jeglicher Hinsicht durchschnittlichen und gewöhnlichen Aric Ekloppos, der in der nicht all zu fernen Zukunftswelt tapfer, aber nicht unbedingt aggressiv seinen Status als braver Konsument verteidigt. Er verliebt sich in die neu gekrönte Kaiserin – einer der vielen Anachronismen, mit denen Uwe Post so herrlich spielen kann - , auf deren Krönungsumzug er beinahe zu Tode getrampelt wird. Als er im Krankenhaus aufwacht, reißen sich die Medien um ihn. Aric Ekloppos ist von Uwe Post als der ewige sympathische Verlierer angelegt, der eine einzige im Grunde unrealisierbare Obsession hat. Er hat sich in die Kaiserin unsterblich verliebt. Aus dieser bodenständigen Prämisse heraus entwickelt der Autor eine scharfe Satire auf die Medienwelt, in welcher alle nach ihren fünf Minuten des Ruhm suchen. Es ist keine Überraschung, dass sich schnell die Politiker auf die Seite des so gegen die gesellschaftliche Norm handelnden Aric schlagen. Mehr und mehr wird er von den Erwartungen seiner Umwelt angetrieben, aus dem bisher beschaulich langweiligen Leben gerissen. Kritisch gesehen wirkt Ekloppos Vorgehensweise unter den vielen kleinen bizarren Nebenideen nicht sonderlich originell oder gar überraschend. Im Verlaufe dieser Handlungsebene droht Uwe Post mit dem Politikersex – schmutziger Sex – zu extrem zwischen Groteske, Satire und Plot hin und her zu schwanken. Manchmal ein wenig zu krampfhaft versucht der Autor eine stetige Steigerung bis zur Eruption in doppelter Hinsicht. Immerhin gehört Aric Ekloppos zu den wenigen Figuren des Romans, die sich ihren Traum erfüllen und den Sternenhai überleben. Als Charakter zu Beginn des Buches sehr zugänglich, sehr sympathisch angelegt wird die Figur im Verlaufe des Buches eindimensionaler und weniger zugänglich. Ein wenig mehr Naivität – das zeichnet ihn wie Peter Sellers ja aus – hätte der Persönlichkeit besser getan.
Auch die zweite Handlungsebene ist eine klassische Quest. Leop ist ein Symbioniker – die ganze Welt befindet sich in einem Post- Symbiose Stadium -, der sich um die Schöpfungsparameter geplanter Neuentwicklungen kümmert. Seine heimliche Liebe Mooha verschwindet von ihrem Arbeitsplatz im gleichen Institut. Natürlich begibt sich Leop im Grunde auf eine ausweglose Suche nach seiner heimlichen geistigen Freundin und kommt dabei mittels einer Reihe von Zufällen einer gigantischen Verschwörung auf die Spur, welche die machthungrigen Politiker am liebsten – welche Überraschung – so lange wie möglich geheim gehalten hätten. Von den drei Handlungsebenen ist Leops Suche trotz oder gerade wegen einer Reihe von bizarren Nebenideen die schwächste. Der eigentliche Plot gibt wenig her und Uwe Post benutzt ihn, um seinen Roman auf eine zufrieden stellende, aber nicht wirklich pointierte Art und Weise zu beenden. Gerade im Vergleich zu Aric Ekloppos zu ähnlich angelegter Quest wirkt dieser Spannungsbogen eher wie Füllmaterial und Uwe Post legt den Leop Charakter auch ein wenig zu eindimensional und zu wenig zugänglich an.
Die Menschen wissen inzwischen, dass sie nicht alleine im Universum sind. Zu den Fremden gehören die Vyrroc, die unter anderem auch auf der Erde leben. Uwe Post macht sich insbesondere zu Beginn des Buches einen Spass daraus, zahlreiche Klischees des First Contact Subgenres zu parodieren und mit den Erwartungen der Leser zu spielen. Da sich der Leser zu diesem Zeitpunkt noch im Post´schen Universum zu recht zu finden beginnt, erhöhen diese Seitenhiebe das Lesevergnügen. Aniaa Karum hat die Vyrroc viele Jahre auf deren Welt studiert. Inzwischen lebt sie mit Pschist-i, einer Vyrroc- Frau, auf der Erde zusammen. Pschist-i ist schwanger und die ersten Untersuchungen weisen auf Komplikationen hin. Die Schwangere muss auf ihre Heimatwelt zurück und darf die Erde nicht mehr betreten. Aus eher konstruierten Motiven heraus beginnt Aniaa Karum nach Erklärungen zu suchen und stößt auf einen weiteren perfiden Plan. Dieses Mal von der Seite der Außerirdischen. Im Vergleich zu zweiten Handlungsebene füllt sich Uwe Post mit den fremdartigen Vyrroc und ihren grotesken Versuchen, menschlich dank Zungenoperation zu erscheinen deutlich wohler als auf der zweiten angesprochenen Ebene. Das Questmotiv ist zwar vorhanden, aber deutlich weniger stark ausgeprägt als in den ersten beiden Spannungsbögen. Aniaa und Pschist- i sind interessantere und vielschichtigere angelegte Figuren als eine Großteil anderer insbesondere Nebencharaktere. Plottechnisch lässt sich diese Quest mit Leops Ermittlungen auf der menschlichen Ebene vergleichen. Stellenweise hat der Leser über alle Spannungsbögen hinweg das Gefühl, als verirre sich Uwe Post ein wenig selbst in seinen verschiedenen Suchen und versucht insbesondere gegen Ende des Buches die diversen Ideen konstruktiv, aber auch ein wenig zu geplant zusammenzubringen. Das es ihm auf den letzten Seiten trotzdem gelingt, ein neues Ideenfeuerwerk zu zünden, spricht für den Autoren.
Aber Uwe Post ist nicht nur ein solider Erzähler, der trotz aller Seitenhiebe und satirischen Elemente ausreichend Wert auf eine stringente und für den Leser auch nachvollziehbare Handlung legt, sondern vor allem ein bissiger Kommentator gegenwärtiger Strömungen. Immer wieder haut der Autor mit sehr viel Genuss auf die Konsumgesellschaft ein. Das beginnt bei den Getränkeautomaten über die neue Form von Spammails in Form von Tauben, sowie Frösche, die in Hotels geküsst werden müssen, um einen genetischen Kussabdruck bei der Registrierung zu hinterlassen und endet bei Geckos, welche die Schuppen von der Kopfhaut fressen. Nicht selten fordern diese „kleinen“, aber ungemein interessanten Ideen den Leser im wahrsten Sinne des Wortes zu einer Widerholungslektüre heraus. Uwe Post erweist sich als ein visuell brillanter Erzähler, der mit knappen, pointierten Bemerkungen und Anmerkungen die Phantasie seiner Leser anzuregen beginnt. Wie es sich für einen Satiriker gehört, steht er der Macht sowohl in „demokratischer“ als auch „monarchistischer“ Form skeptisch gegenüber. Vielleicht ist es im übertragenen Sinne auch kein Wunder, dass sowohl die Politiker als auch die Kaiserin mit dem kleinen Mann ins Bett wollen. So durchläuft die Kaiserin eine Castingshow nach deutschem Fernsehmuster, in der es im Grunde nicht um ihre Intelligenz oder ihr politisches Einfühlungsvermögen geht. In Uwe Post Post- Cyberpunkgesellschaft ist alles Schall und Rauch. Trotz katastrophaler wirtschaftlicher und politischer Entwicklungen zeigt der Autor in der Tradition eines auf Speed agierenden Robert Sheckley die sozialen Auswüchse eine sich selbst feiernde Spassgesellschaft auf. Im Gegensatz allerdings zu Robert Sheckley schwächelt der vorliegende Roman bis auf die Figur des kleinen Mannes Aric Ekloppos unter den teilweise zu eindimensional und blass gezeichneten Figuren. Insbesondere die Nebenfiguren oder Handlungsflüsterer hätten sorgfältiger, nuancierter und abwechselungsreicher gestaltet werden müssen. Der Unterschied zwischen den zugrunde liegenden Handlungsbögen und den vielen kleinen, deutlich interessanteren Nebenkriegsschauplätzen ist auch zu groß. Teilweise ein wenig zu überambitioniert, zu sehr auf Stil und weniger Inhalt achtend ist „Symbiose“ sicherlich ein mutiger, ein frecher und provozierender Roman, der aus den Genrekonventionen auszubrechen sucht. Alleine für die Andersartigkeit ist „Symbiose“ zusammen mit „Der Remburg- Report“ von Jan Gardemann ausdrücklich zu loben und herauszustellen. Uwe Post unterstreicht mehr als zwanzig Jahre nach unlustigen Ergüssen wie „Lila Zukunft“, dass Humor und deutscher Autor kein Widerspruch per se sein muss. Über viele Stellen wird der Leser schmunzeln, über manche sogar laut lachen können. Wenn Uwe Post in seinen nächsten Büchern noch ein wenig mehr auf eine unterhaltsame Handlung achtet oder das parodistische Element deutlicher herausarbeitet, dann kann er sowohl als Kurzgeschichten- sowie Romanautor brillieren. Bis auf kleine Schönheitsfehler eine starke Leistung und trotz oder wegen aller bizarren Ideen ein zugängliches unterhaltsam flott erzähltes sowie vielschichtig angelegtes Märchen aus der Post- Biopunkära, die es in dieser Form niemals gegeben hat.